01.10.2011 - Offener Brief des Fördervereins Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V.
Vermittelt durch den Förderverein Buchenwald e.V. erreichte die Geschichtswerkstatt Flößberg ein Aufruf zur Unterzeichnung eines offenen Briefes an das Kultusministerium von Sachsen-Anhalt. Initiator des offenen Briefes ist der "Förderverein Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V."
Kritik an Besetzung der Leiterstelle der Gedenkstätte
Im offenen Brief thematisiert der Förderverein die Neubesetzung der Leiterstelle der Gedenkstätte Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg mit Johannes Schwarz. Scharf kritisiert wird dabei, dass die Personalentscheidung über die Köpfe derjenigen hinweg getroffen wurde, die sich bisher vor Ort mit großem Engagement dem Aufbau einer würdigen Erinnerungsstätte gewidmet haben.
Position der Geschichtswerkstatt
Wer die Arbeit vor Ort leistet, sollte auch bei einer wichtigen Entscheidung, wie der Neubesetzung einer Mitarbeiterstelle gehört werden. Die Geschichtswerkstatt Flößberg unterstützt daher den offenen Brief des Fördervereins Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V. und schließt sich dem Kreis der Unterzeichner des offenen Briefes an das Kultusministerium von Sachsen-Anhalt an.
Wer ebenfalls den Förderverein in seinem Anliegen unterstützen möchte, der wird gebeten sich an die Verantwortlichen zu wenden: Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V. / 06925 Annaburg / OT Prettin / An der Lichtenburg 1.
Der offener Brief des Fördervereins im Wortlaut
Förderverein
Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V.
06925 Annaburg
OT Prettin
An der Lichtenburg 1
Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt
Minister Stephan Dorgerloh
Turmschanzenstraße 32
39114 Magdeburg
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Minister Dorgerloh, 20. September 2011
die kleine Stadt Prettin an der Landesgrenze zu Sachsen ist Ihnen ganz gewiss aus Ihrer Wittenberger Zeit ein Begriff. Sie war von der schlimmen Elbeflut 2002 besonders arg betroffen, wurde durch die Gebietsreform in ihrer Identität reichlich negativ beeinträchtigt und ist zudem durch zeitweise unwürdiges Kompetenzgerangel um die geschichtsträchtige Lichtenburg – vor allem als KZ-Gedächtnisort - im öffentlichen Gespräch.
Die jüngst erfolgte Personalentscheidung durch den Rat der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalts (GeSA) zur Leitung der Lichtenburger KZ-Gedenkstätte ist uns als Förderverein nun gegebener Anlass, uns mit einem Offenen Brief an Sie, Herr Minister, zu wenden.
Uns ist klar, dass die Personalentscheidung des Stiftungsrates
allein in dessen Kompetenz
fällt.
Uns ist klar, dass Sie als Minister nur
indirekt auf eine eventuelle Korrektur der Personalie Einfluss nehmen
können.
Uns ist vor allem klar, dass politische
Entscheidungen bestenfalls sekundär von moralischen Kategorien
beeinflussbar sind.
Dennoch glauben wir dass Sie, sehr
geehrter Herr Dorgerloh, als junger Minister im Amt und vor allem als
Theologe von Hause aus gerade auch den moralischen Komponenten in
wichtigen Entscheidungsfindungen den gebührenden Wert beizumessen
bereit sind.
Worum geht es konkret?
Im Sommer dieses Jahres hat der Stiftungsrat der GeSA Herrn Dr. Johannes Schwarz nach einer öffentlichen Ausschreibung zum Leiter der Gedenkstätte Lichtenburg gewählt.
Diese Entscheidung hat in unserem Verein und bei allen an der Sache interessierten Bürger von Prettin und Umgebung nachgerade Entsetzen ausgelöst: Ein Gremium, dessen Mitglieder mit Ausnahme von Herrn Ulrich Freyberg vom VdN-BDA Sachsen-Anhalts die Situation vor Ort in Prettin nach unserem Kenntnisstand ebenso wenig aus eigenem Augenschein kennen wie der gekürte Kandidat selbst, hat einmal mehr über die Köpfe der hier lebenden Menschen hinweg in einer nicht unbedeutenden Angelegenheit entschieden.
Keiner der in der Sache vor Ort engagierten Menschen hatte auch nur den geringsten Zweifel daran, dass der hier längst mit der Gedenkstätte Lichtenburg identifizierte Historiker Sven Langhammer die Aufgabe als deren offizieller Leiter übertragen bekommt.
Dass die Entscheidung anders ausfiel,verbittert uns über alle Maßen und lässt nicht im Geringsten eine Anerkennung unseres bürgerschaftlichen Engagements verspüren, dass in Prettin auch und gerade in den Jahren der Verunsicherung in der Sache KZ-Gedenkstätte Lichtenburg von ehrenamtlich Tätigen aufgebracht worden ist.
In dieser Zeit – seit 2008 und bis zum heutigen Tag – hat sich vor allem Herr Sven Langhammer als freier Mitarbeiter der GeSA um den Aufbau und die Leitung des Büros vor Ort unschätzbare Verdienste und Anerkennung bei der Konzeption und dem praktischem Aufbau einer künftigen Gedenkstätte Lichtenburg erworben.
Mit Unterstützung unseres Vereins ist es Sven Langhammer gelungen, ein Netzwerk zu schaffen, das sowohl die KZ-Opferverbände, die örtlichen gewählten Vertreter, die Bürger der Region und nicht zuletzt die interessierten Besucher der Lichtenburg in ihrem Trachten nach angemessenem Gedenken an die höchst wechselvolle Geschichte des Prettiner Schlosses vereint. Die überregionale Bedeutung des ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslagers als Gedenkstätte für ebenso prominente wie „namenlose“ Häftlinge ist mittlerweile ja offiziell verinnerlicht.
Doch auch mit uns als vor Ort aktiver Verein hat keiner der Verantwortungsträger im Vorfeld der besagten Personalentscheidung gesprochen. Wir fühlen uns somit in unserem bürgerlichen Engagement ausgesprochen ignoriert und vermissen bei diesem Votum jegliches Verständnis für eine in diesem Zusammenhang gewachsene bürgerliche Demokratie.
Gerade beim sensiblen
Geflecht um die
Causa „KZ im III. Reich“ ist unseres Erachtens die emotionale
Komponente neben der fachlichen Darstellung jener Zeit von
unschätzbarer Bedeutung. Wirkliches Gedenken besteht letztlich nur
in der Veränderung von Bewusstsein.
Dieser Aufgabe haben sich
Herr
Langhammer, unser Verein und viele Bürger von Prettin und Umgebung
in den zurückliegenden Jahren mit hoher Einsatzbereitschaft
gestellt.
Diesen seriösen Enthusiasmus mit einer
zentralen Personalentscheidung vom „grünen Tisch“ aus zu
zerstören, halten wir als mündige Bürger schlicht für
unverantwortlich.
Auch im Sinne unserer Ermutigung für
einen historisch weiter gefassten Ausbau der Erinnerungsstätte
Schloss Lichtenburg bitten wir Sie, verehrter Herr Minister
Dorgerloh, trotz unseres eingangs erwähnten Kenntnisstandes um
gegebenenfalls kompetente Einflussnahme auf den weiteren Gang der
Dinge.
Dass wir Sie hiermit auch herzlich zu einem Besuch in Prettin – noch vor der geplanten offiziellen Eröffnung der Gedenkstätte im November – einladen, versteht sich von selbst-
Hochachtungsvoll
Henning
Kirmse
Vorsitzender des Fördervereins Schloss und Gedenkstätte
Lichtenburg
e.V.